Anfahrt: Händelallee 22, 10557 Berlin; Verkehrsanbindung: U9 Hansaplatz, S Tiergarten
Rundgang durch die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche
Die neue Kirche steht auf den Grundmauern der alten Kirche, die im Krieg 1943 zerstört wurde. Im Rahmen der Internationalen Bauaustellung 1957 wurde sie von Senatsbaudirektor Prof. Ludwig Lemmer erbaut. Die Kirche steht – wie das gesamte Hansaviertel – für die Moderne der 1950er Jahre.
Im Mittelportal des Eingangs, gestaltet von Gerhard Marcks, erkennt man die dritte Strophe des Lutherlieds „Ein‘ feste Burg“, symbolisiert durch den Kampf des heiligen St. Georg mit dem Drachen: „Und wenn die Welt voll Teufel wär‘ und wollt‘ uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es muß uns doch gelingen.“
An den Kirchenbänken fallen die Beschriftungen an den Längsseiten auf. Sie bezeichnen die Namen der Spender aus der ganzen Welt.
In der linken Kirchenwand befindet sich das bekannteste und eindrucksvollste Kunstwerk der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche, die 127 m2 große Lichtwand von Georg Meistermann: Sieg des Lichts. In der Bibel heißt es bei Joh 8,12: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Symbol dafür ist die Sonne oben links und aufleuchtend schräg darunter ein kleiner goldener Lichtsplitter: „… als wär‘s ein Stück in dir und mir.“
Der Schalldeckel der Kanzel, bestehend aus Plexiglas und Aluminium, trägt die Taube als Symbol des Heiligen Geistes. Dahinter erhebt sich eine Mosaikwand von Hans Stocker. Sie zeigt den kommenden Christus, der nach Offb 1,12-14 keine irdischen Farben mehr hat. Die rot leuchtenden Augen sind Symbol seiner immer gültig bleibenden Liebe und Hingabe.
Im Altarraum links leuchtet bei Vormittagssonne das Apsisfenster von Heinz Trökes, vielfältig regenbogenfarbig als Zeichen der Versöhnung gestaltet.
Die 12 m hohe Mosaikwand hinter dem Altar von Ludwig Lemmer und Hans Wagner vermittelt einen vielfältigen und beeindruckenden Farbeindruck ohne gegenständliche Motive. Sie verkörpert die unendliche Vielfalt der göttlichen Schöpfung.
Das Altarkruzifix wurde gestiftet von Prinz Louis Ferdinand von Hohenzollern und zeigt nach Maria Laacher Vorbild den siegreichen Christus. Die Altarbibel wurde vom ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss gestiftet und trägt die eigenhändige Widmung: „Liebe Brüder, betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch.“ (2. Thess 3,1)
Der Taufstein ist ein Geschenk der Landesregierung von Schleswig-Holstein, erkennbar am Wappen auf der Rückseite. Der Kieler Bildhauer Walter Rösler schuf ihn aus rohem Sellenberger Muschelkalk, einem Stein aus dem fränkischen Jura, ca. 230 Millionen Jahre alt. Die Inschrift lautet: Und wehret ihnen nicht. „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn ihrer ist das Himmelreich.“ (Mk 10,13-16)
Dahinter befindet sich die Mosaikwand von Carl Crodel und zeigt Johannes den Täufer. Auch hier nehmen – wie einen roten Faden – die goldfarbenen Mosaikelemente das Motiv „Sieg des Lichts“ der Lichtwand auf. Oberhalb der Seitenempore finden wir links ein Mosaik des himmlischen Jerusalem, daran anschließend drei Rundfenster von Peter Kowalski, sie stellen von links nach rechts die Verkündung an Maria, das Osterzeugnis und die sieben Gaben des heiligen Geistes dar.
Das Rundfenster über der Orgelempore zeigt die Lutherrose mit der Inschrift „Vivit – er lebt“. Die Orgel auf der Empore wurde von der Berliner Orgelwerkstatt Karl Schuke geschaffen. Sie steht in einem Gehäuse aus Plexiglas und Aluminium und ist ausgestattet mit 41 Registern = 3.122 Pfeifen in der Größe von 1 cm bis 5,60 m.
Durch eine Schiebewand abtrennbar ist im Gemeinderaum ein großflächiges Fenster von Willy Fries gestaltet: die Kreuzigungsgruppe. Dieses Kunstwerk war anfangs sehr umstritten. Angefangen von der dramatischen, blutroten Farbgebung scheinen die römischen Soldaten Wehrmachtshelme zu tragen. Die Tatsache, dass Christus vor einer Backsteinmauer gekreuzigt wird, wurde als Anspielung auf die Hinrichtungen während der Nazizeit gedeutet. Nur vier Jahre nachdem das Kunstwerk geschaffen wurde, begann die Errichtung der Berliner Mauer, wodurch das Werk wieder anders interpretiert werden konnte: Christus an der Mauer.
Ernst W. Krüger